Ich weiß nicht, wer mehr strahlt: die Sonne, der Schnee, Outdoor-Führer Andre Jansen oder wir Schneeschuh-Frischlinge. Draußen: Ein Allgäu-Wintermärchen! Drinnen im Herzen: Vorfreude! Wir sind gespannt auf unser erstes Abenteuer auf Riesenfüßen. Unser Ziel: der Buchenberg, 10 Minuten mit dem Auto von Füssen entfernt. Wir tricksen ein bisschen und fahren mit der Buchenbergbahn hoch, dann starten wir gleich auf dem Hochplateau an der Bergstation.
Andre Jansen gibt uns erst mal einen Crashkurs in Sachen Schneeschuhgehen: Wie werden die Schuhe richtig eingestellt und fixiert? Wie geht man am besten bergauf und wie werden die Stöcke eingesetzt? Wir laufen Probe – scheint nicht kompliziert zu sein. Vor allem: Innerhalb von wenigen Minuten sind wir startbereit. Außer Schuhen und Stöcken braucht es keine Ausrüstung. Bei einer geführten Tour wie dieser bringt Andre alles mit. „Andere Wintersportarten sind mit viel mehr Aufwand verbunden“, findet der Schneeschuhtourenführer, „außerdem ist die Abwechslung großartig. Man kann immer wieder dieselbe Tour machen und nimmt ganz unterschiedliche Eindrücke mit, weil Wetter und Schnee immer anders sind.“
Heute ist er richtig schön pulvrig! Ein bisschen wie Tiefschneefahren. „Ja, das ist wie auf Watte gehen, wie man da versinkt und wieder ausgespuckt wird“, meint Andre. Uns gefällt die absolute Ruhe. Nur das Rascheln der Kristalle unter unseren Füßen ist zu hören. Auf dem Hochplateau laufen wir nur Mini-Steigungen. Durch langsameres oder schnelleres Gehen können wir die Anstrengung gut dosieren. Andre achtet auf die Kondition seiner „Mitläufer“ und passt das Tempo entsprechend an. So haben auch weniger Trainierte etwas von der Tour. Das Erlebnis in der traumhaften Landschaft ist das, was zählt. „Man sollte auf jeden Fall nicht mit einer roten Krawatte rumlaufen, also die Zunge bis zur Brust hängen haben.“ Es soll ja kein Sportmachen-Müssen, sondern -Dürfen sein. Wenn ich die Runde nochmal gehen könnte, dann war die Anstrengung richtig dosiert“, so der Tipp des Sportlehrers.
Andre ist ein waschechter Kölner, fühlt sich aber so sehr mit Füssen verbunden, dass ihm schon 20 Kilometer davon entfernt zu weit weg wären. Ohne Berge – das geht gar nicht mehr. „Wenn die vor der Haustür rufen, dann muss ich einfach raus. Die Natur hier hat einen hohen Aufforderungscharakter. Man bleibt bewegt und sportlich.“ Vor über 30 Jahren kam er als Offiziersanwärter in die Stadt am Lech und absolvierte bei der Bundeswehr die Ausbildung zum Diplom-Sportlehrer. Auch heute arbeitet er weiterhin dort und begleitet parallel dazu Gäste wie Einheimische in die Berge – beim Mountainbiken, bei einer Skitour oder eben einer Schneeschuhtour. Das Alleinsein ist nicht so seins, Andre Jansen teilt das Naturerlebnis gerne mit anderen. „Ich kann nach so vielen Jahren immer noch sehen, wie schön das hier ist! Wenn die Menschen über die Landschaft staunen und begeistert sind, bekomme ich das immer wieder vor Augen geführt.“
Auch wir staunen: Gigantisch der Blick vom Buchenberg in die Allgäuer und Ammergauer Alpen und in Richtung Norden ins eher flache Land, den Allgäuer „Schlosspark“ rund um Schloss Neuschwanstein, hinein. Es ist ein Erlebnis, von oben auf die Welt zu sehen und abseits von gewalzten Pisten unterwegs zu sein. Zeit für eine Panoramapause zum Gucken und Tee trinken. In solche Tag könnte man glatt reinbeißen und am liebsten auch gar nicht mehr vom Berg hinuntergehen.
Ups, haben sich hier etwa kleine Dinos unter dem Schnee versteckt? Für möglich halte ich heute vieles, denn ich bin definitiv mit Glückshormonen überflutet. „Ja, das ist genial, den Winter über die Bewegung einzusaugen“, meint Andre, „da brodelt die körpereigene Bioküche und man fühlt sich durch die Adrenalinausschüttung total gut. Außerdem kann man die Sauna hinterher viel mehr genießen, wenn man sich draußen bewegt hat.“ Die Schneehügel bewegen sich nicht. Es sind kleine Tannen, die sich durch die Schneemassen Richtung Erde geneigt haben. UFO-Landeplatz wird wegen der interessanten Kulisse das Gebiet unterhalb vom der Hochplatte und vom Geiselstein genannt, der wie ein Zahnstocher in den Himmel ragt.
Wer lieber für sich alleine unterwegs ist: Der Buchenberg ist ein ideales Revier, denn er gilt als nicht lawinengefährdet. Trotzdem: ähnlich wie beim Skitourengehen sollte man bei einer Schneeschuhtour eine Ausstattung mit Schaufel und Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) dabei und auch gelernt haben, wie dieses funktioniert. Auch Zwiebellook und Wechselwäsche sind wichtig, damit man beim Runterlaufen durch die verschwitzte Kleidung nicht auskühlt. Selbstverständlich ist, auf Wild- und Naturschutzgebiete zu achten und nicht dort zu laufen, wo sich Tiere im Winter zurückziehen wollen – außer Haustiere wie dieser Esel. Im Tal gut auf zugeschneite Weidezäune und vor allem auf Weiher aufpassen, die nur leicht zugefroren sein können und auf den ersten Blick wie eine normale Schneefläche aussehen.
Andre meint übrigens, dass es im Allgäu nur schönes Wetter gibt, „denn bei Sonne kann jeder! Aber es ist einfach auch toll, mal im leichten Nebel zu laufen. Dann sieht man die Landschaft nicht so, aber man hört vielleicht mehr auf sich selbst. Außerdem kann ich mir hinterher auf die Schulter klopfen, dass ich trotzdem draußen war.“
Was für eine Schneeschuh-Premiere! Als wir wieder unten sind und sich unter Schloss Neuschwanstein langsam der Nebel über die Schneefelder legt, wollen wir wissen, wie es ist, „ dieses Auf-sich-selbst hören“ von dem Andre gesprochen hat. Bei der Wallfahrtskirche Sankt Coloman packen wir die Schneeschuhe nochmal aus und laufen eine letzte Runde – aber nur für heute. Wir wollen wieder – garantiert!